15. Spieltag 1970 / 71 Sa., 28.11.1970

Regionalliga Süd

1. FC Nürnberg - SV Göppingen

1:1 (0:0)

1. FC NÜRNBERG:

Welz;

Popp, Löhr;

Nüssing, Wenauer, Theis;

Michl, Kröner, Drexler, Müller, Stegmayer

Trainer: Barthel Thomas

Wechsel: Renner für Drexler (80.)

Tore: 1:0 Wenauer (61.)

SV GÖPPINGEN:

Frick;

Petras, Höfer;

Römer, Schmid, Blessing;

Heidler, Krajsik, Dörfler, Ascherl, Hoffmann

Trainer: ?

Wechsel: Becker für Blessing (55.)

Tore: 1:1 Hoffmann (77.)

-

Schiedsrichter: Kamman

Zuschauer: 9.000

Besondere Vorkommnisse: Keine

Spielbericht aus der FCN - Vereinszeitung Nummer 12 vom Dezember 1970

Selbstverschuldeter Punktverlust

Man muß zu diesem unerwarteten und unerfreulichen Unentschieden - ohne seinetwegen Klagelieder anzustimmen - ein paar grundsätzliche Feststellungen treffen:

1.   Gegen den Club  als Tabellenführer und als Träger einer immer noch Respekt einflößenden spielerischen Tradition pflegen nahezu alle Mannschaften Kräfte  freizumachen, die sie sonst meist nicht zu mobilisieren imstande sind.

2.   Unsere Mannschaft stellt eine an sich gesunde Mischung zwischen alterfahrenen Kräften und talentierten Nachwuchsspielern dar. Sie ist als Einheit noch nicht ausgereift.

3.   Der jetzige günstige Tabellenstand unserer Mannschaft beruht nicht allein auf ihrer eigenen Leistung, sondern zum Teil auch auf einer immer wieder einmal in Erscheinung tretenden Anfälligkeit der Verfolger. Er ist also nicht das zwangsläufige Ergebnis einer etwa überragenden Leistung.

Die Quintessenz aus diesen Feststellungen ist klar: Unsere Mannschaft hat keinen Grund zur Überheblichkeit. Überheblichkeit können sich vielleicht dazwischen einmal meisterliche Mannschaften leisten (wenn das auch bei ihnen nur zu leicht zu Ausrutschern führt). Für eine Mannschaft wie die unsrige ist Überheblichkeit Gift und kann im Ergebnis mit Selbstverstümmelung gleichzusetzen sein. Überheblichkeit ist Torheit.

Gerade diese Überheblichkeit aber glaubten wir in der ersten Hälfte des Spiels gegen den ersatzgeschwächten Aufsteiger in die Regionalliga feststellen zu müssen. Was wollte der kleine Mann aus Schwaben schon im großen Nürnberger Stadion!

Das 0:0 bei Halbzeit war eine Folge dieser verkehrten Einstellung, aus der heraus man ohne letzten Einsatz, ohne Feuer und zum Teil ohne Überlegung gegen einen Gegner anrannte, dessen tragende Kräfte (neben einem überdurchschnittlichen Torhüter und einem ausgezeichneten Linksaußen) nicht bloß eine massierte Abwehr, sondern auch vorbildliche Schnelligkeit und beispielhafter Kampfgeist waren. So großartig sind unsere Männer auch nicht, daß sie sich davon nicht eine Scheibe abschneiden könnten. Das Zeug, Siege im Vorübergehen einzuheimsen, haben sie nicht (oder zumindest noch nicht).

Als unsere Elf nach dem 0:0 aus der Pause kam, war ihr erkennbar doch ein Licht aufgegangen. Aber auch jetzt wurde der verspätet erwachte Kampfgeist nicht in Überlegung, schnelle, steile Vorstöße unter betontem Einsatz der Flügel und in - angesichts der massierten Abwehr notwendige - Schüsse aus der zweiten Linie umgesetzt. Unter dem (beinahe schon überlieferten) Zeitdruck versuchte man jetzt, die gegnerische Abwehr mit der Brechstange aufzubrechen. Ferdl Wenauers raffinierter Aufsetzer aus gut 20 Metern, der die Führung brachte, hätte einen Fingerzeig bedeuten können. Keiner zog die Lehre. Zum Kampfgeist gesellte sich nicht die Erfolg versprechende Konzeption. So resultierte aus dem verstärkten Drang lediglich der Ausgleichstreffer des Gegners, nach einem schnellen Vorstoß durch Hoffmann, den Popp oft nicht zu packen bekam, wobei auch noch Löhr auf der anderen Seite nicht an seine frühere Leistung anschließen konnte. Zu allem Unglück hatte Müller wieder einmal einen Tag erwischt, an dem sich zu umständliches Spiel und gelegentlich schlechte Pässe als Hemmnis erwiesen. Ob hier einmal Riemann nachwächst?

Eine von Anfang an kämpfende, mit schnellen Steilpässen operierende, aus der zweiten Linie feuernde Mannschaft hätte mit 2 oder 3 Treffern Vorsprung in die Pause gehen müssen. Wer sich zu einem solchen Verhalten moralisch und geistig nicht aufzuschwingen versteht, dem kann auch der Trainer am Spielfeldrand nicht helfen. An diesem kalten Novembertag wurden die überlegenen spielerischen und technischen Mittel nicht ausgenützt. Das könnte und müßte anders sein, wenn sich unsere Spieler beim Schlafengehen und nach dem Aufstehen regelmäßig vor Augen hielten, daß sie zu allem Anlaß haben, nur nicht zur Selbstüberschätzung. Wir wissen, daß unsere Mannschaft gegen stärkere Gegner oft besser zum Zuge kommt. Aber ein Tabellenführer muß sich auch gegen unterlegene und mauernde Mannschaften durchzubeißen verstehen. Die dazu erforderliche sittliche Reife kann man nicht einimpfen; sie muß jeder aus sich selbst schöpfen.

So bleibt nur zu sagen, daß der Gegner das Unentschieden verdiente. Der Club leider auch. Gerade dieser unsinnige Punktverlust aber sollte zur Selbstbesinnung führen. Auf Brot verspeisen lassen sich nun einmal gerade auch abstiegsgefährdete Mannschaften nicht. Mit der Meinung, dem sei so, in ein Spiel hineinzugehen, ist von Übel.

Wir sagten schon, daß der Punktverlust, so überflüssig er war, keinen Beinbruch bedeutet. Auch wenn man zu Recht unzufrieden ist, sollte man nicht ungeduldig werden. Auf jeden Fall aber wollen wir in den nächsten Spielen mehr sehen: soviel, wie die Mannschaft zu leisten vermag, wenn sie ihre Mittel von Anfang an voll und mit Eifer einsetzt. Jugend und mangelnde Erfahrung sind ein Anlaß zu Geduld und Verständnis. Überheblichkeit und Schläfrigkeit sind es nicht.

Bleibt - über den Rahmen dieses Spiels hinaus - eine betrübliche Feststellung zu treffen: Das Nürnberger Stadion schien in den letzten Monaten zu oft als Experimentiergelände für Schiedsrichter zu dienen, die sicherlich den guten Willen, aber noch nicht einmal den Gesellenbrief mitbringen. Dafür ist die Regionalliga zu schade.

Der für Nürnberg neue schwarze Mann Kamman benachteiligte mit Ungereimtheiten beide Mannschaften. Daß er den Kopfballtreffer Drexlers in der 46. Minute annullierte, weil er Kröner im Abseits sah, war ein glatter Regelverstoß. Denn Kröner lag angeschlagen am Boden und vermied es sichtlich, irgendwie ins Spiel einzugreifen. Diese Fehlleistung könnte sogar den Spielausgang beeinflußt haben.

Unsere Mannschaft aber sollte sich jetzt am Riemen reißen. Es kann und darf doch nicht wahr sein, daß man erwachsene Männer, wie es unser Meister- und Abstiegsmacher einmal meinte, mit der Peitsche antreiben muß. Was wäre das für ein Armutszeugnis! Und welch wirkungsvolle Kraft ist doch das innere Feuer! Noch vertrauen wir darauf.

Dr. K. Brömse

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